Tipps zur Kommunikation mit Menschen mit Sinnesbehinderung

Shownotes

Wie gelingt es, Menschen mit Taubblindheit oder Hör-Sehbehinderung in Online-Kurse an Volkshochschulen zu integrieren? Dieser Frage widmet sich diese Folge unseres Podcasts „Die Bildungsbanane“.

Zu Gast ist Kristin Reker, Fachberaterin im Fachbereich Taubblindheit des Kompetenzzentrums Selbstbestimmt Leben für Menschen mit Sinnesbehinderung (KSL-MSI) in Nordrhein-Westfalen. Kristin Reker teilt wertvolle Einblicke aus ihrer Arbeit und erklärt, wie Technologien dazu beitragen können, Menschen mit Sinnesbehinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Frau Reker gibt praktische Tipps zur digitalen Barrierefreiheit, wie das Zwei-Sinne-Prinzip und die Nutzung von dunklen Hintergründen mit heller Schrift. Sie betont, dass barrierefreie Maßnahmen nicht nur Menschen mit Behinderungen zugutekommen, sondern allen Nutzern.

Interessierst du dich für konkrete Ratschläge zur Gestaltung barrierefreier Online-Kurse und möchtest mehr über die Herausforderungen und Lösungen für Menschen mit Sinnesbehinderungen erfahren? Dann hör dir diese Folge an und lass dich inspirieren!

Links:
https://ksl-msi-nrw.de/de
https://www.gebaerdensprach-avatar.de/
https://www.gmu.de/kogeba-stellungnahme-uebersetzung-gebaerdensprach-avatare/

Transkript anzeigen

00:00:01: Sprecher]: Die Bildungsbanane Der Podcast über digitale Barrierefreiheit an Volkshochschulen.

00:00:10: Tobias Götz]: Kristin Reker ist als Fachberaterin beim Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben für Menschen mit Sinnesbehinderung in Nordrhein-Westfalen tätig. Ihr Engagement gilt insbesondere dem selbstbestimmten Leben von taubblinden Menschen und Menschen mit HörSehbehinderung. In unserem Gespräch teilt sie wertvolle Einblicke in ihre Arbeit und die Technologien, die Menschen mit Sinnesbehinderung eine größere Unabhängigkeit ermöglichen.

00:00:37: Tobias Götz]: Hallo liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge der Bildungsbanane. Heute bei uns zu Gast über Zoom zugeschaltet: Frau Kristin Reker. Frau Reker arbeitet als Fachberaterin für das KSL-MSI-NRW. Wofür diese etwas kryptische Abkürzung genau steht, wird sie uns sicherlich gleich selber erklären. Wir befassen uns heute inhaltlich mit zwei Themen, die aber eng miteinander zu tun haben. Zum einen das Thema Taubblindheit bzw. HörSehbeeinträchtigung oder Sinnesbehinderung allgemein. Und der Umgang damit in Videokonferenzen zum Beispiel im Zuge von Online-Kursen an Volkshochschulen. Frau Reker, schön, dass Sie da sind. Wie jedes Mal haben wir Sie gebeten, als unser Gast sich mit drei Hashtags kurz vorzustellen. Und vielleicht noch dazu zu sagen, was Sie beruflich dann auch machen.

00:01:45: Kristin Reker]: Ja, hallo, liebe Zuhörer, mein Name ist Kristin Reker. Ich freue mich, dass ich heute hier den Podcast sprechen darf. Ich muss zugeben, ich habe selber noch nie einen Podcast gehört oder einen Podcast eingesprochen. Deswegen bin ich auch sehr gespannt, wo uns das heute hinführt. Meine drei Hashtags wären #Taubblind, #Digital und #Barrierefrei.

00:02:11: Tobias Götz]: Dann verraten Sie uns doch, warum Sie diese Hashtags gewählt haben.

00:02:16: Kristin Reker]: Ich identifiziere mich sehr mit diesen drei Hashtag. Zum einen, weil ich selber betroffen bin. Ich habe also selber eine Hör- und Sehbehinderung. Und ich bin aber auch Grafikdesignerin. Das heißt, ich bin sehr stark online und digital unterwegs. Und deswegen ist mir Barrierefreiheit ein ganz besonderes Anliegen.

00:02:38: Tobias Götz]: Ja, vielen Dank. Ich habe jetzt gerade erwähnt, wo Sie arbeiten, beim KSL-MSI-NRW. Sagen Sie uns doch bitte kurz, was ist das und was tun Sie da?

00:02:50: Kristin Reker]: Ja, das kann ich gerne kurz erklären. Ich arbeite als Fachberaterin in einem Kompetenzzentrum für Menschen mit Sinnesbehinderung. Und genau das ist die Abkürzung KSL-MS Menschen mit Sinnesbehinderung. Dafür steht das. Und wir haben drei Fachbereiche. Den Fachbereich für Menschen mit Hörbehinderung, einem Fachbereich für Menschen mit Sehbehinderung und eben dem Fachbereich Taubblind, in dem arbeite ich persönlich. Und dieser Fachbereich ist für alle Menschen, die eine Hör- als auch eine Sehbehinderung haben.

00:03:29: Tobias Götz]: Ja, vielen Dank. Und wie sehen Ihre genauen Tätigkeiten aus? Also, wie unterstützen Sie praktisch Menschen mit diesen Sinnesbehinderungen bei Ihrer Arbeit?

00:03:40: Kristin Reker]: Ja, unsere Aufgaben sind sehr breitgefächert. Wir machen strukturelle Beratung, vor allem Aufklärung, Information und Sensibilisierung rund um das Thema Sinnesbehinderung. Wir klären auf, wir informieren, was brauchen gehörlose Menschen oder was brauchen schwerhörige Menschen und blinde Menschen für eine gleichberechtigte Teilhabe. Dafür geben wir zum Beispiel Sensibilisierungsschulungen oder wir entwerfen Infomaterialien, wo eben über diese Bedarfe aufgeklärt wird. Und ganz wichtig für uns ist auch der Abbau von Barrieren für unsere Zielgruppe.

00:04:23: Tobias Götz]: Jetzt ist es ja so, ich habe gelesen, dass es deutschlandweit in etwa 10.000 Menschen gibt, mit einer Taubblindheit, wahrscheinlich noch einige mehr, mit einer Hör-Sehbehinderung. Vielleicht können Sie die Zahlen kurz einordnen, ob ich da recht habe, ob ich das richtig gelesen habe oder ob Sie als Profi da andere Werte zugrunde legen.

00:04:48: Kristin Reker]: Ja, gerne. Das stimmt, was Sie da gelesen haben. Wenn man danach recherchiert oder online sucht, wie viele Taubblinde Menschen gibt es, dann findet man oft diese Zahlen, die variieren zwischen 7.000 bis ungefähr 10.000 Menschen. Das sind aber keine offiziellen Zahlen, das sind Schätzungen. Weil es gibt einfach keine wirklichen offiziellen Zahlen. Das heißt, die dunkelte Ziffer ist natürlich weitaus höher. Also die Zahl der tatsächlich betroffenen Menschen liegt vermutlich in einem höheren Bereich. Denn wenn man mal überlegt, dass viele ältere Menschen im Laufe ihres Lebens schlechter sehen und schlechter hören, dann könnte man ja diese Personengruppe auch schon mit zu den betroffenen Zählen. Wir gehen aber eher davon aus, von Menschen, die bereits im Jugendalter oder im Erwachsenenalter bereits eine Hör- und eine Sehbehinderung haben. Das ist eigentlich unsere Zielgruppe. Im Grunde genommen ist aber das, was wir tun, natürlich auch ebenso gut für ältere Menschen. Auch die profitieren dafür.

00:05:57: Tobias Götz]: Ja, genau. Das ist auch für uns als Volkshochschule natürlich sehr, sehr wichtig. Weil gerade natürlich ältere Menschen sehr häufig auch zu unserer Stammkundschaft gehören. Weniger jetzt tatsächlich die Jüngeren. Und für viele Kolleginnen und Kollegen ist es bei einer, ich sag jetzt mal geringen Zahl von 10.000 Menschen bundesweit, natürlich schwierig, das eigene Programm irgendwie dahingehend anzupassen. Deswegen ist für uns tatsächlich so, dass wir ältere, die dann entsprechend auch irgendwann altersbedingt eine Hör-Sehbehinderung aufweisen, da natürlich mit in den Blick nehmen. Jetzt haben Sie sich in Ihrer Arbeit natürlich sehr viel mit der Thematik auseinandergesetzt. Wir als Bildungseinrichtung haben natürlich ein großes Interesse daran, auch gute Angebote, barrierefreie Angebote für diese Zielgruppe zu machen. Haben Sie da spontan ein paar Tipps für uns? Also wie können wir einmal Menschen mit Hör-Seh-Behinderung erreichen auf eine barrierefreie Art und Weise? Wie können wir aber vielleicht auch unsere Angebote dahingehend gestalten, hi er einen barrierefreien Zugang auch für diese Art des Sinnesbehinderungen zu schaffen?

00:07:15: Kristin Reker]: Ja, da gibt es eine spannende Frage. Ich würde gerne am Anfang nochmal betonen, dass Barrierefreiheit ja allen Menschen zugutekommt. Und wir sagen auch immer, wenn man an die Bedarfe von Taubblinden und hör-sehbehinderten Menschen denkt, denkt man damit eigentlich automatisch schon an alle anderen Bedarfe, die auch schon damit abgedeckt werden. Und das kommt dann quasi eigentlich allen Menschen zugute. Ich kann gerne mal ein paar Beispiele nennen. Erstmal muss man wissen, Taub-Blindheit bedeutet nicht immer Taub-Blindheit. Viele Menschen haben ein Hör-Rest, haben ein Seh-Rest, können also durchaus noch etwas sehen oder auch etwas hören, nur eben nicht mehr so wie ein gesunder Mensch. Deswegen ist es besonders wichtig bei digitaler Barrierefreiheit, dass man auf das zwei Sinne Prinzip achtet. Also, das ist ein wichtiges Prinzip für die barrierefreie Gestaltung von Informationen. Also nach diesem Prinzip müssen mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Tastsinn angesprochen werden. Das heißt, wenn also etwas zu hören ist, dann sollte es parallel auch zu sehen sein, bzw. zu lesen sein, z.B. bei Filmen oder bei Animationen, bei einem Bildungsangebot; ein Bildungsfilm, z.B. dass da Untertitelung dabei ist. Also es wird nicht nur gesprochen, sondern es wird auch untertitelt oder umgekehrt, wenn sie Grafiken zeigen oder Bilder, dass da auch eine Audio-Deskription dabei ist, die das beschreibt, was ist da zu sehen. Also immer daran denken, wenn ich den einen Sinn nicht ansprechen kann, z.B. das Sehen, kann ich dann den anderen Sinn ansprechen, das Hören und das dann verbinden zu einer einheitlichen Information.

00:09:17: Tobias Götz]: Genau, wenn ich da nochmal nachfragen darf, dieses zwei Sinne-Prinzip ist natürlich etwas, was wir in unserer Arbeit schon häufiger aufgegriffen haben, beispielsweise, dass wir bei Werbung auf Social-Media oder ähnliches immer auch ein Alternativtext in den Bildern anbieten oder ähnliches. Bei digitalen Medien ist damit ja, glaube ich, auch gemeint, dass es durch ein Screenreader lesbar ist.

00:09:45: Kristin Reker]: Ja, genau. Das sind dann die ganz konkreten Methoden und Maßnahmen. Also digitale Barrierefreiheit, speziell für Menschen mit Sinnesbehinderung, kann vielerlei bedeuten. Also für Gehörlose zum Beispiel Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache, Untertitelung. Dann für blinde Menschen, ganz wichtig: Alternativtext, Bild- und Videobeschreibung. Auch die Screenreader-Funktion, diese Vorlesung-Funktion, die Sie gerade angesprochen haben, auch die gehört natürlich dazu. Dann der mögliche Anschluss vielleicht an eine Braillezeile, dass man, wenn man online oder digital sich etwas anschaut oder anhört, dass das vielleicht auch mit einer elektrischen Braillezeile verbunden werden kann. So dass ich zumindest, wenn ich taub und blind bin, dass ich das dann über die Braillezeile mitlesen kann, was da gerade vielleicht gesprochen oder erzählt wird am Bildschirm. Das ist eine barrierearme Version, wie auch taub-blinde Menschen teilhaben können. Natürlich muss das Programm kompatibel sein. Das geht natürlich nicht immer. Ganz wichtig für mich zum Beispiel ist Dunkel-Modus. Gibt es dunkle Hintergründe? Viele arbeiten immer mit weiß. Weil weiß ist eigentlich immer die Grundeinstellung, ein weißer Hintergrund. Menschen mit Sehbehinderung sind aber sehr, sehr blendempfindlich. Sind auch sehr netzhautgeschädigt. Das heißt das Licht, was eintritt auf die Netzhaut, kann gar nicht so verarbeitet und gestreut werden wie bei am gesunden Auge. Deswegen ist es viel viel angenehmer einen dunklen Hintergrund zu haben mit heller Schrift. Also genau invertierte Farben. Ich habe zum Beispiel im Februar Urlaub gemacht auf Mallorca. Ich habe Geld abholen wollen an einem Bankautomaten. Und die Sonne schien, es war hell. Und dann war auch noch dieser Bankautomat mit einem weißen Display ausgestattet. Ich habe wirklich nicht lange gebraucht, um zu suchen, wo kann ich hier Geld abheben. Und dann habe ich vorhin das gesehen. Oben rechts in der Ecke gab es ein Werkzeug für Barrierefreiheit. Da klickt man dann drauf und zack wurde der Bildschirm invertiert. Ich hatte plötzlich einen dunklen Hintergrund und weiße Schrift. Das war für mich super angenehm einmal wegen meiner Sehbehinderung. Aber auch, weil gleichzeitig die Sonne geschienen hat direkt auf das Display. Also auch Menschen, die gut sehen, hätten das schon Probleme gehabt, dieses Bildschirm-Bild zu erkennen. Aber dadurch, dass es möglich war, die Farben umzuändern auf einem dunklen Hintergrund, war es dann viel viel angenehmer zu bedienen. Also sowohl für Sehbehinderte als eben auch für gut sehende Menschen.

00:12:50: Tobias Götz]: Und um das Ganze jetzt auch mal auf unsere Bildungspraxis zu übertragen, würden Sie sagen, dass wenn wir beispielsweise Präsentationen erstellen oder auch in Videokonferenzen, dass wir vornehmlich dunkle Hintergründe nutzen sollten. Ich persönlich an unsere Zuhörer, ich mache das gerade auch falsch. Ich sitze hier vor einer weißen Wand. Ich bin leider heute mobil ein bisschen eingeschränkt. Deswegen kann ich mich hier nicht beliebig frei im Raum drehen. Das tut mir schon mal sehr leid. Aber auf die Frage zurückzukommen, ist das generell eine gute Option, Lesbarkeit dann auch für Menschen mit einer Sinnesbeeinträchtigung zu verbessern in Präsentationen, in Videokonferenzen?

00:13:31: Kristin Reker]: Ja, auf jeden Fall. Sie sehen ja auch, ich sitze hier vor einem dunklen Hintergrund und habe dunkle Kleidung, einheitlich schwarz an. Das heißt der einzige Kontrast, den Sie sehen, ist im Grunde meine Hautfarbe hebt sich sehr stark ab von meiner Kleidung. Wenn Sie mich anschauen und wenn ich gebärden würde, könnten Sie das viel leichter wahrnehmen, als wenn ich vor einem weißen Hintergrund sitzen würde. Und genauso können Sie das in der Volkshochschule auch umsetzen. Auf Bildschirmen, wo zum Beispiel das Programm angezeigt wird, innerhalb der Volkshochschule, Wegweiser, das wird ja auch oft digital angezeigt, dass man das auch anbietet auf einem dunklen Hintergrund mit gelber oder weißer Schrift. Und weniger ist auch immer mehr, das heißt große, gut lesbare Schrift verwenden, ohne Verschnörkelungen, ohne diese Füßchen, zum Beispiel eine Schriftart, wie Arial oder wie Verdana, hat ja im Grunde jeder auf seinem System. Solche Schriften sind gut geeignet und dann auch immer nach dem Motto weniger mehr. Also lieber nur fünf oder sechs Stichpunkte pro Folie statt einen ganzen Text auf eine Folie zu hauen, das ist auch, glaube ich, für gut sehende Menschen schwierig, das zu lesen und zu begreifen, was steht da eigentlich? Also wirklich immer versuchen, so klar und deutlich und prägnant wie möglich zu kommunizieren.

00:15:09: Tobias Götz]: Ja das ist ein Tipp, den gibt es ja schon lange, auch für die Verständlichkeit von Folien das zu erhöhen. Ich erinnere mich noch an meine Studienzeit, da gab es immer die Experten unter den Professoren, die da erst mal einen ganzen Roman draufgeschrieben haben. Das war jetzt auch für jemanden, der eben keine Sinneseinschränkungen hat, die Hölle. Wir bieten ja als Volkshochschulen schon jetzt eine ganze Weile, nicht erst seit Corona, Online-Kurse an, die finden meistens als klassische Videokonferenzen statt. Die meisten machen sich nicht so viele Gedanken darüber, wie sie ihre Videokonferenz möglichst barrierefrei gestalten, weil ja in der Regel der Ton funktioniert und man davon ausgeht, dass meine Zuhörer mich auch schon hören werden. Ich würde gerne dieses Thema Videokonferenzen mal ein bisschen näher besprechen, das ist auch der Grund, warum Sie heute hier sind, weil ich Sie schon mal auf einem Workshop zu dem Thema gesehen habe. Fangen wir mal bei der Software an. Ist es egal, welche Videokonferenz Software ich benutze oder haben Sie da bestimmte Empfehlungen, wonach sich auch Bildungseinrichtungen wie uns vielleicht orientieren könnten?

00:16:27: Kristin Reker]: Ja, also auf unsere beruflichen Erfahrungen heraus, auch aus der privaten Erfahrung heraus, können wir tatsächlich eine Empfehlung abgeben, und zwar für Zoom. Wir sind ja heute auch auf Zoom, also Zoom bietet tatsächlich einmal die beste Videoqualität. Und diese Videoqualität ist wichtig für gehörlose Menschen, die Gebärdensprache verwenden, aber auch für schwerhörige Menschen, die eventuell von den Lippen absehen, teilweise zur Unterstützung des Gehörten, auch die können über Zoom viel, viel besser mitkommen und mitverstehen als auf anderen Konferenzplattformen. Wir haben wirklich während der Corona-Pandemie viel Erfahrungen gesammelt mit den unterschiedlichsten Anbietern, und wir sind immer wieder auf Zoom zurückgekommen. Also Zoom war wirklich für uns alle, egal ob blind, schwerhörig, gehörlos, hörend, sehend, immer das favorisierte Mittel der Wahl.

00:17:31: Tobias Götz]: Das ist tatsächlich sehr, sehr interessant. Ich glaube auch, dass die meisten Volkshochschulen irgendwie zumindest mal einen Berührpunkt mit Zoom haben. Es gibt einige, die nutzen auch sehr gerne Big Blue Button in unserem Kontext, da habe ich aber selber auch schon festgestellt, dass die auch die Audioqualität nicht ganz so optimal ist. Das spielt natürlich auch eine sehr große Rolle, gerade auch für ältere Menschen, wenn dann irgendwie die Stimme sehr verwaschen ist oder Ähnliches. Ich habe jetzt in Zoom, weil ich es gerade gesehen habe, gibt es ja diese automatische Untertitelung. Da habe ich mich jetzt schon öfter gefragt, nützt die was oder ist die zu schlecht, um sinnvoll zu sein?

00:18:13: Kristin Reker]: [lacht] Ja, da fragen Sie was. Die automatische Untertitelung, die funktioniert ja über künstliche Intelligenz. Da hängt es ja davon ab, wie weit ausgereift oder wie gut entwickelt ist diese künstliche Intelligenz, dass die den Text versteht. Meine Erfahrung ist, automatische Untertitel sind mühsam. Es ist meist nicht zu raten, das zu aktivieren, denn meist versteht man dann doch eher Bahnhof. Viele Wörter werden falls verstanden oder in einem völlig falschen Kontakt wiedergegeben. Ich würde eher nicht darauf zurückgreifen bei Videokonferenzen. Wo ich aber durchaus darauf zurückgreife, sind Apps auf dem Handy, wenn ich unterwegs bin im Ausland oder auch hier in Deutschland, vielleicht beim Arzt oder im Supermarkt oder wo auch immer, wenn ich etwas nicht verstehe, auch bei mehrmaligem Nachfragen nicht, dann bitte ich die Leute, dass sie in dieser App sprechen und dann erscheint der Text von dem, was die sagen, auf meinem Handy. Das hilft dann schon für die Kommunikation, aber in einer Videokonferenz, wo man 2 Stunden oder auch 3 Stunden lang sich das durchlesen muss, das geht nicht, das geht zu mühsam. Da kann ich nur raten, Schriftdolmetscher zu bestellen und Schriftdolmetscher können dann auch eine Qualität garantieren, dass das richtig ist, dass auch die groß- und Kleinschreibung stimmt, denn auch das ist bei automatischen Untertiteln oft nicht der Fall. Es wird da alles klein geschrieben und auch das macht es noch mal viel mühsamer, den Text zu lesen und auch zu verstehen.

00:20:10: Tobias Götz]: Da haben Sie Recht und bringen uns natürlich auch auf ein klassisches Problem. Sowohl was Schriftdolmetscher als auch Gebärdensprachdolmetscher angeht, ist das größte Problem vermutlich die Finanzierung. Wir haben natürlich hier auch in Bayern diverse Möglichkeiten und so etwas unterstützen zu lassen durch diverse Förderprogramme. Allerdings, wenn jetzt eine durchschnittliche Volkshochschule 300 Kurse oder so im Jahr anbieten würde, ist das natürlich immer sehr schwierig zu organisieren, gar nicht mal so sehr wegen dem Geld, sondern weil die Personen nicht in der Anzahl irgendwie da sind. Wie ist denn da die Situation in Nordrhein-Westfalen? Ist das da irgendwie besser? Kann man da auch für kleinere Veranstaltungen einfach an Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher kommen oder ist das ein ähnliches Problem?

00:21:04: Kristin Reker]: Ich würde sagen, es ist ein ähnliches Problem. Wir sind hier in Nordrhein-Westfalen natürlich das bevölkerungsreichste Bundesland. Insofern gibt es natürlich zum Beispiel auch dieses Kompetenzzentrum. Das gibt es ja in anderen Bundesländern auch noch nicht. Insofern haben wir in gewisser Weise eine kleine Vorreiterrolle. Aber was die Ansprüche betrifft, ob Gebärdensprachdolmetscher, ob Schriftdolmetscher. Das stoßen wir hier in NRW genau auf die gleichen Grenzen und Barrieren wie sie in Bayern auch. Ich kenne zum Beispiel keine Volkshochschule hier in NRW, die Kurse oder Angebote mit Gebärdensprachdolmetschern anbietet. Ich weiß, dass es ein Thema ist, es soll kommen. Aber dafür werden dann erst mal die Bedarfe ermittelt. Soll heißen, für welche Kurse interessieren sich gehörlose oder blinde oder schwerhörige Menschen? Und wo könnte man dann da Sammelangebote machen? Aber es ist natürlich nicht so, dass jeder Gehörlose jederzeit ein Kursangebot wahrnehmen kann und dass dann da automatisch Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung stehen. Das ist natürlich nicht der Fall. Wir hoffen, dass sich da einiges verbessert, auch in den nächsten Monaten und Jahren, dass mehr Volkshochschulen sich auch öffnen für ein barrierefreies Angebot. Aber sie haben vollkommen recht, die Finanzierung ist immer eine große Frage. Das sollte sie natürlich nicht sein, aber irgendwoher soll das Geld ja auch kommen. Hier in NRW wird es meist aus einem öffentlichen Fördertopf finanziert, aber auch der geht natürlich dann und wann zur Neige.

00:22:56: Tobias Götz]: Und das auch manchmal schneller als einem lieb ist.

00:23:00: Kristin Reker]: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall. Leider. Ja.

00:23:05: Tobias Götz]: Genau. Ich würde noch mal gerne so ein bisschen aufs Kursgeschehen und das Video-Conferencing. Sie haben schon das Thema KI angesprochen bei der Spracherkennung. Es gibt ja auch erste Projekte, die beispielsweise mithilfe von KI eine Gebärdensprachdolmetschung darstellen wollen. Es gibt noch viele andere KI-Tools. Wo sehen Sie denn da Chancen und Potenziale, aber auch vielleicht Grenzen bei KI-Tools für die Online-Didaktik oder das Web-Conferencing?

00:23:43: Kristin Reker]: Ja, das sprechen Sie ein sehr aktuelles heißes Thema an, was in der Gehörlosengemeinschaft kontrovers diskutiert wird. Und zwar der Einsatz von Gebärdensprach-Avataren statt Gebärdensprachdolmetschern. Gebärdensprach-Avatare sind 3D animierte Figuren, die quasi Text in Gebärdensprache umwandeln können in Echtzeit. Man muss also nur den Text einprogrammieren und ein dreidimensionaler Avatar überträgt das dann in Gebärdensprache. Das ist eine Entwicklung, die hat vor einigen Jahren begonnen und ist mittlerweile auch so weit, dass man es verstehen kann. Also, wenn ein Avatar etwas gebärdet, auch mit Mimik und Gestik, ist die Technik mittlerweile so weit ausgereift, dass man es durchaus verstehen kann. Die Kontroverse oder die Kritik daran ist, dass natürlich die Gefahr droht, dass immer mehr Gebärdensprach-Avatare eingesetzt werden, nicht nur online und digital, sondern vielleicht auch beim Arzt oder bei Ämtern und Behörden, und dass dann darunter natürlich die Übersetzungsqualität leidet. Denn es ist nach wie vor so: ein Avatar gebärdet nicht so wie ein Gebärdensprachdolmetscher. Da bleibt immer noch etwas Unklarheit und Ungenauigkeit übrig. Und es ist einfach was ganz anderes, ob man mit einem echten Menschen zu tun hat oder mit einem computerbasierten Programm. Denn mit einem echten Menschen kann ich ja live Missverständnisse noch aus dem Weg räumen, kann das ansprechen und dann können wir darüber kommunizieren, was soll nun gemacht werden oder habe ich das richtig verstanden. Mit einem Avatar kann ich das nicht machen. Und da sehe ich schon ein bisschen die Gefahr auf der einen Seite. Es hilft, man kann zum Beispiel am Flughafen oder bei der Bank oder bei Dienstleistungen, da kann man Avatare einsetzen, die können einen fertigen Text wunderbar in Gebärdensprache übersetzen. Aber für richtige Gespräche, für richtige Diskussionen oder für Alltagsgebrauch sehe ich Avatare eigentlich nicht als die gute Lösung an, sondern nach wie vor natürlich Menschen aus Fleisch und Blut, also ausgebildete Gebärdensprachdolmetschende.

00:26:22: Tobias Götz]: Ja, das stimme ich Ihnen ganz sicher zu. Diese Technik böte halt zumindest perspektivisch die Chance, diesen personellen Mangel an Gebärdensprachdolmetschern zumindest bei Standardkommunikation etwas zu reduzieren.

00:26:38: Kristin Reker]: Ja, natürlich einmal der Mangel an Gebärdensprachdolmetschenden und natürlich die Finanzierung. Gebärdensprachdolmetscher kosten mehr als ein 3D Avatar.

00:26:48: Tobias Götz]: Ja auf jeden Fall.

00:26:49: Kristin Reker]: Bei dem Avatar da kommt das Programm, da zahlt man einmal und kann es dann für viele verschiedene Texte und Zwecke dann immer wieder verwenden. Einen Gebärdensprachdolmetscher muss man beauftragen. Der hat eine Fahrtzeit, die wird auch noch berechnet, die Kilometer werden berechnet vom Einsatzort zum Wohnort. Und das ist dann auch eine finanzielle Frage, die wir befürchten, dass man dann sagt, nee, nee, nee, der Gebärdensprachdolmetscher ist zu teuer, deswegen bitte, nimm den Avatar. Es gibt so die Gefahr, die wir auch sehen dabei. Wir hoffen natürlich, dass es nicht so weit kommt. Also der deutsche Gehörlosenbund hat eine offizielle Stellungnahme verfasst, wo er eben auch genau diese Sorgen und Punkte aufnimmt.

00:27:42: Tobias Götz]: Ja, die habe ich gelesen. Wenn wir daran denken, können wir es vielleicht verlinken bei der Nachbearbeitung. Jetzt war meine Frage noch nicht komplett. Vielleicht kennen Sie noch andere Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz, wo Sie die Chance sehen, Bildungsveranstaltungen, insbesondere online, zukünftig barrierefreier zu gestalten.

00:28:06: Kristin Reker]: Ja, ich kann gerne noch mal auf Zoom eingehen, wenn man ein Bildungsangebot auf Zoom macht, also online, eine Online-Bildungsmaßnahme, worauf man dann da achten kann. Also wir achten immer darauf, so wenig Fenster wie möglich aktiv zu haben, also nicht den kompletten Bildschirm voller kleiner Teilnehmerfenster, sondern wirklich nur konzentriert, zwei oder drei Fenster plus die Präsentation. Also das wird auch über Bildschirmteilung eingefügt, dass man da aber wirklich darauf achtet, dass nicht zu überfrachten, dass es für alle übersichtlich ist, wo spricht wer und wo ist die Präsentation zu sehen. Und dass dann auch tatsächlich alle die sprechen oder moderieren, dass die vielleicht auch einen dunklen, neutralen Hintergrund haben und nicht vor einem Bücherregal sitzen. Viele lieben es, ihr Bücherregal zu zeigen, aber dann können wir wirklich tatsächlich nicht empfehlen. Es ist sehr, sehr anstrengend, wenn man zwei, drei Stunden auf einem Bücherregal schaut. Das merkt man den Unterschied, ob das ein neutraler Hintergrund ist oder eben ein Bücherregal. Und wir empfehlen auch, möglichst kein Meeting zu machen, also von der Technikform kein Meeting, sondern ein Webinar. Denn bei einem Webinar hat man die Möglichkeit als Host, dass man genau auswählt, wer hat das Kamerabild aktiv, wessen Mikrofon ist eingeschaltet und dadurch kommt es zu mehr Übersichtigkeit und zu einer Ruhe. Es kann nicht jeder dazwischen sprechen und auch eine Gesprächsdisziplin. Also wer etwas sagen möchte, spricht nicht einfach rein, sondern klickt unten auf die Hand oder die erhobene Hand und dann schaut ein Moderator, in welcher Reihenfolge hat sich wer gemeldet und so hat man dann auch die Chance zu folgen und auch immer das Tempo rauszunehmen. Also nicht wie am Wasserfall reden, reden, reden, parallel zeigen, zeigen, zeigen, auf der Bildschirmpräsentation, also das geht zum Beispiel auch nicht, da muss eins nach dem anderen kommen. Also ich zeige jetzt das und das und das, Sprechpause. Dann zeige ich das und dann spreche ich anschließend weiter. Viele neigen dazu, das immer mal parallel zu machen, aber gerade bei Menschen mit Hör- und Seheinschränkung, die können das nicht mehr parallel wahrnehmen, da muss man dann einfach das Tempo rausnehmen, das macht auch mal gar nicht so viel aus, wenn man etwas langsamer spricht, denn dann haben auch die Schriftdolmetscher die Chance mitzukommen, denn sonst fehlt am Ende die Hälfte, wenn es zu schnell geht. Dann kommen die Dolmetscher nicht mit, die Zuhörer und Zuhörerinnen kommen auch nicht mit. Man lässt sich nur noch berieseln. Wenn man aber möchte, dass die Leute tatsächlich am Ball bleiben, dann empfehle ich immer weniger ist mehr.

00:31:25: Tobias Götz]: Okay, super, vielen Dank. Unsere Zeit neigt sich tatsächlich schon wieder dem Ende entgegen. Irgendwann müssen wir diesen Podcast mal ausdehnen auf eine Stunde, glaube ich. Das ist jetzt die Anweisung an die Regie. Wir haben so eine kleine Tradition, dass wir unsere Gäste am Ende nochmal darum bitten, uns vielleicht einen oder zwei kleine Tipps zu geben, die wir als Volkshochschule in unserer Arbeit sofort umsetzen können, um unsere Bildungsveranstaltung gleich ein bisschen barrierefreier zu gestalten. Daher auch die Frage an Sie: Ein oder zwei klitzekleine Tipps, was wir heute umsetzen können, was raten Sie uns?

00:32:09: Kristin Reker]: Okay, ja, also ein ganz allgemeiner Tipp ist, haben Sie keine Hemmungen oder Scheu bei der Kontaktaufnahme mit Menschen mit Sinnesbehinderungen. Keine Unsicherheiten. Es ist ganz normal, dass man taubblinde oder hörsehbehinderte Menschen an der Schulter oder am Rücken auch berühren darf. Wenn Sie nicht hören, nicht sehen, nicht reagiert haben, einfach auf die Schulter tippen und alles Weitere wird sich dann zeigen. Wir erleben leider immer, dass viele Menschen extrem unsicher sind, wie sie mit hörsehbehinderten oder taubblinden Menschen umgehen. Aber ich kann Ihnen versichern, wir sind Menschen wie alle anderen auch. Wir freuen uns über Kontaktaufnahme, wir freuen uns über Kommunikation. Also bitte sehr gerne einfach an der Schulter antippen. Und ansonsten, der zweite Tipp, den Sie Ihnen gerne mitbringen würde wäre, nutzen Sie dunkle Hintergründe, schwarz, mit gelber und weiser Schrift. Damit fahren Sie immer gut. Das wird auch als sehr angenehm empfunden. Und wenn Sie direkt wissen möchten, wie Sie am besten gehörlose oder blinde oder auch taubblinde Menschen erreichen, nehmen Sie einfach Kontakt auf zum örtlichen Gehörlosenverband oder zum örtlichen Blindenverband und fragen Sie einfach nach, ob Interesse besteht. Und dann werden Sie bestimmt ganz, ganz viel positive Antwort und Feedback bekommen.

00:33:36: Tobias Götz]: Frau Reker, vielen Dank. Sie haben gerade gesagt, Sie freuen sich über Kommunikation. Ich hoffe, Sie haben sich auch über die letzten 40 Minuten gefreut. Ich auf jeden Fall. Es war sehr, sehr schön, von Ihnen Einblicke zu der Thematik zu erhalten. Zum einen zum Thema Taubblindheit bzw. Hörsehbehinderung. Was ja ein Thema ist, mit dem man so im Alltag nicht wirklich zu tun hat. Deswegen dafür ganz, ganz herzlichen Dank. Und auch für Ihre kleinen Tipps oder neudeutsch Quick-Hacks zur Nutzung oder zur barrierefreieren Nutzung von Zoom oder ähnlichen Videokonferenzprogrammen. Ganz herzlichen Dank, Frau Reker.

00:34:22: Kristin Reker]: Vielen Dank auch. Ich freue mich, dass ich heute hier etwas erzählen durfte.

00:34:26: Tobias Götz]: Sehr, sehr gerne.

00:34:27: Kristin Reker]: Und ich hoffe auch dass etwas mitgenommen werden kann von dem, was ich hier heute berichtet habe.

00:34:33: Tobias Götz]: Da bin ich sicher. Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Nachmittag. Ihnen liebe Zuhörerinnen.

00:34:38: Kristin Reker Danke gleichfalls.

00:34:39: Tobias Götz]: Dankeschön. Ihnen liebe Zuhörerinnen und Zuhörer genau das gleiche. Und wir hören uns wieder in der nächsten Folge der Bildungsbanane. Tschüss und Ade.

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